[Krisenproteste-stuttgart] WG: offene Mail an Merkel, Mappus, Gabrie, Grubel etc. zur Weiterleitung

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Sat May 15 21:21:59 UTC 2010


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  -----Ursprüngliche Nachricht-----
  Von: SABINE SCHMIDT [mailto:Sabine-Schmidt at freenet.de]
  Gesendet: Samstag, 15. Mai 2010 18:07
  An: SÖS Verteiler; parkschuetzer at gmx.de
  Betreff: offene Mail an Merkel, Mappus, Gabrie, Grubel etc. zur
Weiterleitung


  Offene E-Mail von Mark Pollmann / Markus Mauz zum Projekt Stuttgart 21 (S
21)
  (Anschrift bekannt)

  Stuttgart, den 15. Mai 2010

  Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Verkehrsminister
Ramsauer, sehr geehrter SPD-Parteivorsitzende Gabriel, sehr geehrter Herr
Ministerpräsident Mappus, sehr geehrte Politiker aller Fraktionen im
Stuttgarter Gemeinderat, im Landtag und im Bund, sehr geehrter Bahnchef Dr.
Grube,

  Sehr geehrte Damen und Herren,

  Inzwischen ist das Projekt Stuttgart 21 und der täglich wachsende
Widerstand in Stuttgart deutschlandweit in den Fokus der Medien geraten.
Größtenteils sind Medienecho und Einschätzung von Experten zu S 21
verheerend: in vielerlei Hinsicht. Tausende sich von den Projektbetreibern
DB AG, Stadt, Land und Bund getäuscht fühlende Bürger jeglichen Alters,
sozialer Schicht und unabhängig von parteipolitischer Orientierung
organisieren sich zum Widerstand, unter anderem bei den Parkschützern
(inzwischen knapp 14.000 registriert) - als Teil des Aktionsbündnisses gegen
S 21. Ein deutschlandweit einmaliger kurioser Vorgang: das demographische
und sozioökonomische Querschnittsprofil der Bevölkerung so präzise abbildend
in seiner Vielfältigkeit. Ein mehr als deutlicher Hinweis, dass hier etwas
gewaltig schief läuft. Diese Bürger und Wähler, in der Regel über das
Projekt bestens informiert, empfinden sich berechtigterweise als Spielball
für ein Abenteuer mit erheblichen Zerstörungen und Risiken für Stadt mitsamt
völlig ungewissem Ausgang. Als Spielball für die Durchsetzung von
Partikularinteressen, für die ihnen die Mehrheit der Wahlberechtigten
keinerlei Mandat gab – unabhängig davon, welche Partei sie wählten und ob
sie überhaupt wählten.

  An die Projektbetreiber möchten wir ausrichten: der jahrelange Protest,
die seit November 2009 stattfindenden wöchentlichen frühabendlichen
Montagsdemonstrationen mit tausenden Teilnehmern, zusätzlich die
Demonstration im Schlosspark am 24. April mit über 10.000 Teilnehmern sowie
zahlreiche andere Protestveranstaltungen, die unzähligen Briefe, Appelle und
ähnliches, die Sie unter anderem auch von uns erhielten und die inzwischen
ganze Bibliotheken füllen können, wurden bisher auf unerträgliche Art
ignoriert. Seit der Kommunalwahl im Juni 2009, bei der in Stuttgart die
Grünen überraschend stärkste Fraktion wurden, befindet sich OB Schuster, der
sein 2004 gegebenes Wahlversprechen zum Bürgerentscheid gebrochen hat, auf
der Flucht im Exil zu Repräsentationszwecken auf Steuerkosten. Während im
Rathaus, dem er als OB vorsteht, nicht nur in seiner CDU-Fraktion der Karren
vor die Wand fährt und in Stuttgart der soziale Friede bedroht ist. Wenn ein
öffentlicher OB-Termin in der Stadt nach vielen Monaten nicht zu umgehen
ist, wie letzten Freitag (7. Mai) auf dem Marktplatz, wird er von bereits
aktiven S 21 Gegnern ausgepfiffen, und wenn diese vor der Abschlussrede
geschlossen den Platz verlassen, ist dieser bis auf ein paar spielende
Kinder komplett leer. Die (bisher noch) nicht protestierende Bürgerschaft
hat sich schon lange in weiten Teilen von dem OB abgewendet.

  Die mit dem Projekt verbundenen Zerstörungen und Risiken sowie die
Versenkung von Milliarden unserer Steuergelder, entnommen aus leeren Kassen,
nehmen wir nicht hin: in einer Stadt, in der Turnhallen und Klassenräume
wegen Einsturzgefahr gesperrt sind, Eltern in den Schulferien Klassenzimmer
renovieren, in der auf Straßen und Trottoirs wadentiefe Schlaglöcher zu
Verletzungen von Fußgängern und Radfahrern führen, in der gewaltige
Herausforderungen mit knappsten Mitteln zu bewältigen sind und überall
Kürzungen anstehen. Da sich bisher im Stuttgarter Gemeinderat sowie im
Landtag CDU, SPD, FDP und Freie Wähler für das Projekt aussprechen, bleiben
bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden März dem Wähler nur
wenige Optionen – und dass S 21 dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielt,
nicht nur im Großraum Stuttgart, ist unbestritten. Die Aufklärung über das
Projekt schreitet unaufhörlich voran, nicht zuletzt durch unseren Druck, und
mobilisiert täglich mehr Bürger.

  Die große Mehrheit der Bürger will eine Renovierung und Ertüchtigung des
bestehenden Kopfbahnhofes sowie die Optimierung des Gleisvorfeldes und wird
darin in der großen Mehrheit der Experteneinschätzungen bestärkt. Es ist in
vielerlei Hinsicht erwiesen, dass das Projekt S 21 bahnlogistischer Unsinn
ist, der Engpässe schafft, wo bisher keine da sind. Wir haben einen der
pünktlichsten Bahnhöfe in Deutschland und einen der leistungsfähigsten
Kopfbahnhöfe Europas – trotz jahrzehntelanger Vernachlässigung von
Bausubstanz und Gleisvorfeld durch die DB AG bei gleichzeitigem
kontinuierlichen Kassieren von Steuermitteln des Bundes zum Erhalt der
denkmalgeschützten Bausubstanz. Unzumutbar ist der Frevel an der Stadt, an
ihrer denkmalgeschützten Architektur, an ihren historischen Parkanlagen in
den Schlossgärten (PFA 1.1) und im Rosensteinpark (PFA 1.5), für die
Naherholung der von Feinstaub und sommerlicher Hitze geplagten Bewohner im
Stuttgarter Kessel so wichtig. Unzumutbar ist der Frevel an ihrer Kultur und
an ihrer, an unserer aller Geschichte, an ihrem und unserem Gedächtnis.
Unzumutbar sind die Risiken für Mineralquellen, die geologischen Risiken
durch 66 km Tunnelstrecken in der dicht besiedelten Stadt, viele Kilometer
davon in quellfähigem Anhydrit. Unzumutbar ist die Lähmung der
Stadtentwicklung, wenn so viele Kilometer über so viele Jahre untertunnelt
werden und die DB AG per Vetorecht städtebauliche Maßnahmen über viele Jahre
blockiert (wie bereits jetzt im Vorfeld unter anderem am Killesberg
geschehen). Unzumutbar ist der Baubeginn, obwohl weite Bereiche (PFA 1.3,
PFA 1.6) nicht planfestgestellt sind und viele sicherheitsrelevante
Ausnahmegenehmigungen (bzw. Ausnahmegenehmigungen von der
Ausnahmegenehmigung) nicht erteilt sind – mitsamt Finanzierung. Von den
massiven Auswirkungen in der möglicherweise zwei Jahrzehnte langen Bauphase
(z.B. durch Deckelung der jährlichen Mittelzuflüsse des Bundes inklusive
Bauverzögerung), der Gefahr der Entstehung einer Bauruine im amputierten
Herzen der Stadt und vom finanziellen Schaden und Risiko einmal ganz
abgesehen – so bezeichnet es in diesen Tagen der FDP (!) Gemeinderats- und
Kreisvorsitzende Jens Hagen in Villingen-Schwenningen so: „Stuttgart 21 ist
unser kleines Griechenland in Baden-Württemberg.“ Wo er Recht hat, hat er
Recht. Doch selbst wenn es nichts kosten würde, auch dann wäre dieses
Projekt grober Unsinn und ein Frevel an der Stadt, oder wie es Prof. Gerhard
Stadelmaier am 10.12.2009 in seinem Artikel in der FAZ („Krieg den
Grasdackeln“) beschreibt:

  „Eben diese Hallen der Bonatz-Herrlichkeit sollen, wie gestern der
Aufsichtsrat der Deutschen Bahn bekräftigt hat, jetzt geschleift, sollen
zusammen mit dem gesamten Heimat-Kopfbahnhof amputiert werden! Nur damit es
durchgehende, kopflose Gleise tief unter der Erde gebe und droben auf dem
dann gleisfreien, geschändeten Gelände, kopflose, durchgehende Konsumbauten
entstehen, die alle zusammen den durchgehenden Namen „Stuttgart 21“ tragen
(„Stuttgart 00“ wäre wohl angemessener), erdacht von durchgeknallten
Politikern (ganz oben ein gerade noch amtierender und ein kommender
Ministerpräsident) und von durchgeknallten Bahn-Profitmachern („Grasdackel“,
wie man so etwas dortzulande nennt). Diese planen mit dem Geld, das sie
nicht haben und nie haben werden (also mit „Schulden wie die Sautreiber“,
wie man dortzulande so etwas nennt), einen völligen megalomanen Unfug ins
Blaue hinein, machen dafür aber ein solide Gewachsenes, Schönes, Tolles,
Heimatliches, Wunderbares kaputt - oder „hee“, wie man dortzulande sagt. Es
klingt wie „weh“. Also: Krieg den Grasdackeln! Friede den Kopfbahnhöfen!“

  An die politischen Projektbetreiber und an die DB AG gerichtet: Worauf
warten Sie? Auf ein zweites Gorleben in der Innenstadt Stuttgarts im Herbst,
wenn Seitenflügel fallen und die zentralsten Bereiche der historischen
Schlossgärten zerhackt werden sollen, wenige Monate vor der Landtagswahl?
Damit die von massiven Kürzungen betroffene Polizei sowie die um die Zukunft
dieser Stadt zu Recht besorgten Bürger das ausbaden sollen, was auf
politischer Ebene versäumt wurde? Es sind aufmerksame Bürger, die über viele
Jahre mit bunten steuerfinanzierten Werbebroschüren des OBs, in denen
nachweisbar mindestens jeder zweite Satz unwahr ist, sowie inhaltsleeren
Versprechungen, bestens dokumentiert, getäuscht wurden. Warten Sie auf
Bilder in der Tagesschau, in denen die 78-jährige Rentnerin und ehemalige
Schulleiterin, die bis 2009 in ihrem ganzen Leben noch nie auf einer Demo
war, von Sondereinheiten der Polizei angekettet vom Baum weggefräst wird?
Oder Bilder des 39-jährigen Steuerberaters, der bei den Bundestagswahlen FDP
gewählt hat, der gemeinsam mit dem Anhänger der Linken, der unpolitischen
Esoterikanhängerin, dem CDU-nahen Prokuristen, dem frustrierten
Ex-SPD-Mitglied beim Bosch, dem grünen Architekten, dem politisch
uninteressierten Hip-Hop-Anhänger, dem gestressten Informatikstudenten, dem
Attac-Aktivisten sowie dem Hals-Nasen-Ohren Arzt im Viertel gemeinsam an
Stahlrohre gekettet um den Baum hängen oder sich in der Sitzblockade eng
machen und: “Wehrt euch, leistet Widerstand…“ singen?

  Wo an anderer Stelle die politische Kultur kollabiert, scheint
Basisdemokratie hier in der Stadt eine Wiedergeburt zu erleben – ganz und
gar nicht auf das politisch linke Spektrum der 68er begrenzt, da in der
Tendenz auch sehr mittig: ein breites Bündnis, das Segmentierung durch
soziale Schicht, Alter, politische Orientierung mühelos überwindet, das
durch Kommunikation und Wertschätzung in einem auf Herz und Vernunft
basierenden ziel- und sachorientierten Miteinander verbunden ist. Tausende
Bürger, die jeder einzeln mehr Verantwortungs¬ bewusstsein, Rückgrat, Mut
und Kenntnisstand an den Tag zu legen scheinen, als ein guter Teil der
gewählten politischen Entscheidungsträger in der Summe? Bilder in der
Tagesschau von um Stadt und freiheitlich demokratische Grundordnung
berechtigterweise besorgte Bürger, die wegen Unfähigkeit, Raffgier,
Verantwortungslosigkeit in Teilen von Politik und Wirtschaft gepaart mit
Maulkorbzwang und Duckmäusertum in Teilen der unteren politischen Ebene
nicht nur auf unerträgliche Weise getäuscht und im Rahmen eines Coups auf
das Herz der Stadt, eines Coups auf unsere Steuergelder, aus leeren
öffentlichen Haushalten geplündert, auf die Straße gehen, um unser aller
Erbe zu schützen, notfalls auch mit ihrem Körper, und dabei auch noch
„kriminalisiert“ werden? Wo, bitte, leben wir? Was ist dabei, aus dieser
Stadt, aus diesem Staat zu werden?

  Dieses „neue Herz Europas“ wird hier nicht gebraucht und nicht gewollt.
Das Herz der Stadt, innig verbunden mit dem Herz seiner Bürger, ist gut und
richtig, wie es ist. Ein Eingriff ohne Zustimmung ist ein Angriff, eine
Körperverletzung und hat mit demokratischer Legitimation nichts zu schaffen.
Dieses Projekt ist ein Untergrundprojekt, in dem im fünfzehnjährigen
Schatten von Desinformation Nachtschattengewächse skurrilste Blüten treiben,
die das Licht und die Wärme der Sonne scheuen. Doch aus dem Herzen
Schwabens, diesem Land der Dichter und Denker, sei an das „Stadtkind
 Friedrich Schiller erinnert: „Sie sollen kommen uns ein Joch aufzuzwingen,
das wir entschlossen sind, nicht zu ertragen.“

  Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter SPD-Parteivorsitzende
Gabriel, nicht zuletzt im Hinblick auf die Landtagswahl kommenden März in
Baden-Württemberg bitten wir Sie, sich der Sache S 21 anzunehmen. Sie haben
Expertenteams, die Sie hoffentlich gut und umfassend informieren können, da
zumindest ein guter Teil der Fakten, Zerstörungen, Risiken sowie vielfältige
Experteneinschätzungen jenseits von Prof. Martin und Prof. Heimerl bekannt
sind – auch wenn viele zur Einsicht geforderten Dokumente bei der DB AG
unter Verschluss gehalten werden. An alle Fraktionen und an die DB AG
appellieren wir erneut: Setzen Sie sich zusammen und finden Sie einen Weg,
um gemeinsam aus dieser nach unserer sicheren Einschätzung grotesken und
unwürdigen Schmierenkomödie S 21 auszusteigen. Sie befinden sich in der
ungewöhnlich komfortablen Lage, dass viele Experten in jahrelanger Arbeit in
einem von unseren Spendengeldern finanzierten Aktionsbündnis Ihnen mit K 21
auch noch ein, im Detail sicherlich noch auszuarbeitendes, doch allgemein
als Denkidee für gut und im Kern sinnvoll befundenes Alternativmodell, mit
Anschluss an eine potentielle Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, entworfen
haben – kein Vergleich zu dem Wahnsinn mit halb-unterirdischem,
störanfälligen, beengten und risikoreichen Wahnhof, den Sie in 15-jähriger
Untergrundplanung uns Bürgern der Stadt Stuttgart mit S 21 vorsetzen und
zumuten wollen.

  Mit freundlichen Grüßen,

  Mark Pollmann (Diplom-Geograph)
  Markus Mauz (Rechtsanwalt)

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